Politiek Buitenland

Frans Timmermans: ein Abschied auf Raten

11-03-2018 16:16

Kaum ein Politiker wird sich in den vergangenen zehn Jahren so sehr wie in einer Achtbahn gefühlt haben wie Frans Timmermans, seit November 2014 erster Vize-Präsident der Europäischen Kommission.

Als der niederländische Karrierediplomat 1998 in die Politik einstieg, wurde er zunächst Mitglied im Parlament. Anfänglich mehr begeistert von der linksliberalen Partei D66, wechselte er noch rechtzeitig zur sozialdemokratischen Arbeiterpartei: Frans Timmermans hatte schon immer ein feines Gespür dafür, wo die Macht verteilt wird.

Staatssekretär

Im Jahr 2007 wurde er in die Regierung berufen: bis 2010 amtierte er als Staatssekretär für europäische Angelegenheiten. Sein Parteichef Wouter Bos liess die Regierung im Februar 2010 platzen, er erhoffte sich davon satte Gewinne an den Wahlurnen bei den anstehenden Gemeinderatswahlen im März 2010. Der Schuss ging nach hinten aus: die Arbeiterpartei verlor landesweit ein Drittel ihrer Sitzen.

Frans Timmermans hatte schon immer ein feines Gespür dafür, wo die Macht verteilt wird

Bei den Neuwahlen im Juni 2010 wurde Timmermans wieder ins Parlament gewählt. Timmermans wollte jetzt Auslandsprecher seiner Partei werden. Eine ungeschriebene Regel im niederländischen Staatsrecht besagt, dass ein Mitglied im Parlament sich nicht befasst mit Bereichen wofür er vorher als Regierungsmitglied zuständig war. Timmermans foutierte sich darum. Gemäss einer Aussage vom ehemaligen Innenminister Plasterk hat Timmermans die erste fünf Monate seiner Mandatszeit rein gar nichts gemacht. Bis die Fraktionsführung ihm schlussendlich verzweifelt tatsächlich erlaubte, Sprecher für auswärtige Angelegenheiten zu werden.

Sowieso wurde schnell deutlich, dass Timmermans wenig Lust hatte, sich noch in den Niederungen der einfachen Parlamentsmitgliedern herumzuschlagen. Zwei Jahre lang versuchte er Jobs zu bekommen mit mehr Ansehen, vergeblich. Er versuchte 2011 Gouverneur (Landesvorsitzender) zu werden seiner Heimatprovinz Limburg, wurde aber zugünsten eines Christdemokrats übergangen. Dann wurde er Ende 2011 mit Unterstützung der Haager Regierung ins Rennen geschickt um den neuen Menschenrechtenkommissar zu werden beim Europarat in Straatsburg. Zwei Sachen verhinderten seine Wahl: auch der Generalsekretär des Europarats war schon ein Sozialdemokrat, was seine Chancen verringerte, und weil Timmermans es in Den Haag verscherzt hatte mit den Rechtspopulisten der PVV, stimmten die Vertreter dieser Partei im Europarat noch lieber für einen Ausländer. Wieder stand Timmermans mit leeren Händen.

Minister

Sein grosses Glück war, dass die nach den Neuwahlen im Oktober 2010 angetretene Regierung unter Ministerpräsident Rutte schon relativ schnell ihr Waterloo erlebte: schon bald entschlossen sich die Christdemokraten, dass sie die geplante Einsparungen bei der Entwicklungshilfe nicht mittragen wollten. Im September 2012 ging man erneut an die Urne. Timmermans, bekannt dafür, dass er auf seiner Facebookseite immer gerne Seitenhiebe austeilt an seine politische Gegner, verhielt sich nach der Wahlsieg seiner Arbeiterpartei auffällig bescheiden und beschränkte sich jetzt darauf, das Verhalten von Fledermausen in seinem Garten zu beschreiben. Seine Zurückhaltung wurde belohnt: im November 2012 wurde er zum Aussenminister ernannt.

Er reiste viel herum: kaum eine Woche ging vorbei ohne dass der Minister zich in irgendeinem fernen Ort ablichten liess mit irgendwelchem hohen Amtstrager: die Fotos schmuckten seine Facebookseite. Dummerweise goutierten seine viele Facebookfans nicht, dass der Minister nicht bereit war hart gegen Israel vorzugehen: als Parlamentsmitglied hatte er den Staat oft kritisiert in der Palästinenserfrage, als Minister übte er praktische Zurückhaltung und machte er zum Beispiel keine Eile mit der Anerkennung eines palästinensischen Staates. Die gehässige Kommentare aus den eigenen Reihen zwangen ihn, seine Facebookseite vorübergehend aufzuheben.

MH-17

Seine Rede hatte ihn auf Schlag weltberühmt gemacht

Als am 17. Juli 2014 ein Flugzeug der Malaysia Airlines über der Ukrainee abgeschossen wurde – die knapp 300 Passagiere waren mehrheitlich niederländische Staatsangehörigen, unterwegs in die asiatische Ferien – kam die Sternstunde von Frans Timmermans. Timmermans, der schon vorher die Beziehungen mit Russland arg strapaziert hatte, setzte sich ins Flugzeug nach New York und hielt eine Rede beim Sicherheitsrat der Vereinigten Nationen. Mit gekonnter Mimik gelobte er feierlich, dass die Regierung alles tun wurde um die Schuldigen habhaft zu werden und genau offenzulegen, was passiert war. Seitdem ist kaum ein offizieller Bericht über diese Katastrophe erschienen worin nicht in etwa ein Drittel von den niederländischen Behörden weggelackt wurde: angeblich aus “Sicherheitsgründen”. Es sind dies die kleine Unangenehmheiten worum der Herr Minister sich nicht kümmert: seine Rede hatte ihn auf Schlag weltberühmt gemacht.

Eurokommissar

Das niederländische Aussenministerium war für Timmermans eine Zwischenstation. Als Jean-Claude Juncker den Vorsitz der Europäischen Kommission übernahm, mussten die Sozialdemokraten kompensiert worden. Eigentlich wären sie an der Reihe gewesen den Vorsitzenden zu liefern. Den Genossen wurde einen schweren Posten versprochen, Timmermans kriegte ihn. Auf dem Papier wenigstens. Er ist der erste Vize-Präsident der Kommission und offiziell ist er damit beauftragt, die Bürokratie zu bekämpfen, freilich eine unmögliche Aufgabe. Und somit hat Timmermans sich selbst eine freie Rolle angeeignet, wobei er sich mit jedem beliebigen Dossier befassen kann: das Flüchtlingsproblem, die Lage der Demokratie in Polen, das #metoo-Plädoyer der Frauen, alles ist ihm recht.

Leistungsausweis: null

Der Kommissar beisst auf Granit. Sein Plan zur gezwungenen Umverteilung aller Flüchtlingen wurde zwar angenommen, wird von den Ungarn und Polen aber bestens sabotiert. Sein Säbelnrasseln gegen Polen ist eine Lachnummer: Ungarn hat schon angekündigt keine Sanktionen zu genehmigen. Weil Einstimmigkeit vorgeschrieben ist wenn Sanktionen ausgesprochen werden, hat Timmermans jetzt schon keine Waffen mehr gegen die Regierung in Warschau.

Das Bild bei Timmermans hat ein bestimmtes Patron: viel Rauch und Schall, in allen sieben Sprachen die er beherrscht findet er immer wieder schöne Worte und Formulierungen. Am Ende muss man feststellen, dass kein einziges Problem gelöst wurde, kein einziges Versprechen gehalten wurde.

In der Schweiz hat man für diesen Typ von Amtsträgern eine sehr schöne und zutreffende Bezeichnung: Ankündigungsminister.